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Schweißtreibende Diskussion mit Floskeln, Versprechen und Überraschungen

Gestern Abend fand im Hotel Wyndham Garden die von der GVM veranstaltete Podiumsdiskussion der Bürgermeisterkandidaten statt. 

 

Von Philipp Nieländer für Taeglich.me

 

Bild: Die Bürgermeister-Kandidaten (v.l.) Nils Lessing, Sandra Pietschmann, Andrea Metz und Thomas Dinkelmann stellten sich den Fragen von Thomas Reuter. Foto: TME

 

Moderator und Taeglich.ME-Chefredakteur Thomas Reuter hatte bereits vor Beginn der Diskussion im Hotel Wyndham Garden ein Hemd und zwei T-Shirts durchgeschwitzt. „Ich habe das Pech, dass es alle fünf Jahre sehr heiß in Mettmann ist und der Raum immer noch nicht klimatisiert ist“, so Reuter, der bereits 2015 die Diskussion moderiert hatte – bei ähnlich schweißtreibenden Temperaturen.

 

Den Fragen von Thomas Reuter – und von rund 25 Mettmannern, die im Vorfeld per Mail Fragen eingereicht hatten -, stellten sich die Bürgermeisterkandidaten Thomas Dinkelmann (Amtsinhasber, unabhängig), Sandra Pietschmann (unabhängig, nominiert von CDU und SPD), Nils Lessing (Grüne) und Andrea Metz (FDP).

 

Die Wahlslogans

 

Moderator Thomas Reuter beschäftigte sich zunächst mit den Wahlslogans der Kandidaten: Warum es Zeit für einen grünen Bürgermeister sei, wollte er von Nils Lessing wissen. Die gesellschaftlichen Diskussionen über Klimakrise und Mobilitätswende oder gerechtes Schulsystem  würden in ganz Deutschland geführt, seien aber auch in Mettmann angekommen, so Lessing – insofern sei die Zeit reif für einen grünen Bürgermeister. Und wenn er in die Programme der anderen Parteien und Kandidaten schaue, dann sei das auch überall angekommen – anders als noch vor fünf Jahren. All das, was dort zu diesen Themen gerschrieben sei, könne er auch sagen – und habe er teilweise vor zehn Jahren schon gesagt – aber er sei halt das grüne Original.

 

„Lasst uns gemeinsam mehr möglich machen“ – so lautet der Slogan von Sandra Pietschmann. Unabhängig heiße für sie, dass sie parteilos sei und auch schon immer war, erläuterte Pietschman – und, dass man gemeinsam nach der besten Lösung suchen werde. „Meine Partei heißt Mettmann“, so Pietschmann. Was sie denn machen werde, wenn die beiden Parteien, die sie nominiert haben, mit unterschiedlichen Vorstellungen an sie herantreten, wollte Reuter von Pietschmann wissen. „Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte. Vielleicht hat Nils mit den Grünen eine bessere Idee und dann wird es vielleicht die grüne Idee werden.“

 

Um das „neue Denken“ geht es im Slogan von Andrea Metz – „kombiniert mit Herz und Verstand“, ergänzte die FDP-Kandidatin – das gehöre zusammen. Sie sei leidenschaftliche Kommunalpolitikerin und engagiere sich mit ganzem Herzen für ihre Stadt. Mettmann stehe vor großen Herausforderungen und braucht Lösungen – mit Sachlichkeit und Verstand. Sie stehe für eine neue Kommunikation und für die Erneuerung des FDP-Ortsverbandes. Man habe neue Mitglieder gewonnen, die sehr engagiert seien. Das mache Spaß und man sei offen für neue Ideen. „Auch mal die Perspektive wechseln und vielleicht was anderes tun als wir vorher gemacht haben.“

 

Von Thomas Dinkelmann wollte Thomas Reuter wissen, ob Parteienunabhängigkeit auch eine Last sein kann. „Ja, das ist sie zweifelsohne“, so Dinkelmann. Verwaltungen seien neutral und mit dem gleichen Wohlwollen für alle zu führen. Auf der anderen Seite gebe es den Rat, wo mit ideologischen Ansätzen versucht werde, die Ziele der Parteien durchzusetzen. Das sei insofern eine Herausforderung, weil der Rat über die großen Projekte entscheide. Er habe viele Ideen und müsse dafür werben und kämpfen, sie umsetzen zu können.

 

Klima zwischen Rat und Verwaltung

 

Per Mail waren Fragen zum Binnenklima zwischen Bürgermeister und Rat eingegangen. Dieses werde – vorsichtig formuliert – als angespannt bezeichnet, so Reuter, der wissen wollte, wie sich das ändern könne: „Der Wahlkampf muss erst einmal sein Ende finden“, meinte Dinkelmann. Es eskaliere mit zunehmender Nähe zum Wahltermin. So wie jetzt könne es auf Dauer nicht weitergehen. „Da müssen sich alle zusammenraufen“, so Dinkelmann.

 

Mit ihr als Bürgermeisterin werde die Zusammenarbeit auf jeden Fall besser laufen, war sich Andrea Metz sicher. Sie nehme eine Führungsschwäche wahr. Sie erwarte von einem Bürgermeister, dass er die Verwaltung führe – und als Bürgermeister gelte es, den Rat von seinen Zielen zu überzeugen – es reiche nicht, als Moderator vorne zu sitzen und zu warten, was dabei herauskommt. Das sei ihr zu wenig. Als Bürgermeister müsse man mehr Schulterschluss zu den Fraktionen suchen und im Vorfeld Mehrheiten sammeln – das vermisse sie derzeit.

 

Sandra Pietschmann sieht sich als Ideengeberin. Dabei gelte es aber stets, die beste Idee im Wettbewerb der besten Ideen zu finden. Da seien alle Parteien aufgerufen. „Ich habe ja nur eine Idee, vielleicht haben die anderen um mich herum bessere Ideen“, so Pietschmann. „Da müssen wir Brücken bauen, das ist das, was ich gut kann – ich kann gut moderieren, aber ich kann auch mal was durchsetzen und Führungsstärke zeigen.“ Kommunikation sei keine Glückssache, sondern Handwerk – und wenn man proaktiv in die Kommunikation einsteige, sei sie sicher, dass sich alle zum Wohle der Stadt einsetzen werden.

 

Das aktuelle Verhältnis zwischen Bürgermeister und Rat sei „grottenschlecht“ – nicht nur im Wahlkampf. Das habe viele Projekte verlangsamt oder sogar ausgebremst, so Nils Lessing. Das müsse sich ändern. Dazu würden aber immer zwei Seiten gehören. Für ihn als Ratsmitglied sei es wichtig, das Amt zu achten – und als Bürgermeister werde er diese Position auch einnehmen und zwischen den verschiedenen Stömungen – die in Mettmann gar nicht so ideologisch seien – vermitteln. Man müsse Schulterschlüsse und Kompromisse finden. Das sei er als Grüner gewohnt.

 

Der Eindruck, dass das Verhältnis schlecht sei, sei ja nicht ganz falsch, räumte Dinkelmann ein. Das habe zunächst mit dem Wundenlecken nach der verlorenen Wahl zu tun gehabt, mutmaßt der Amtsinhaber. Das sei ein typischer Reflex. Dann sei es besser und besser geworden und habe Mut gemacht, so Dinkelmann. Mit zunehmender Nähe zu Wahl sei es jedoch wieder gekippt. Er selbst habe sich in Sachen Kommunikation nichts vorzuwerfen – er habe allen Fraktionen von Anfang an regelmäßige Gespräche angeboten. Die größte Fraktion habe das nicht angenommen.

 

Thema Gesamtschule

 

Beim ersten Sachthema ging es dann um die Gesamtschule. Wie in der Schule durften sich die Kandidaten melden. „Wer ist denn dafür, dass es im nächsten Jahr eine Gesamtschule in Mettmann gibt“, wollte „Lehrer“ Thomas Reuter von seinen „Schülern“ wissen. Schnipsend schnellte der Arm von Nils Lessing, der im wahren Leben Lehrer ist („Bei mir im Unterricht darf nicht geschnipst werden“) hoch, auch der Arm von Sandra Pietschmann ging hoch – bei Thomas Dinkelmann blieb er Arm hin- und herwiegend auf halber Strecke hängen und bei Andrea Metz blieb er direkt auf den Tisch liegen.

 

Über die Gesamtschule in Mettmann sei schon gesprochen worden, als Ottokar Iven noch Bürgermeister war, so Thomas Reuter. „Für mich ist vollkommen klar, dass wir eine Gesamtschule brauchen. Am Anfang war das noch sehr verpönt“, erinnert sich Nils Lessing. Das habe sich geändert in den vergangenen Jahren, was zu einem breiten Konsens geführt habe. Man sei sich in der Politik einig gewesen, dass es nicht ok ist, dass so viele Kinder auspendeln, insofern habe man das Thema fraktionsübergreifend erarbeitet. Corona-bedingt habe sich die Elternbefragung leider verzögert, so Lessing.

 

Ob der Elternwille – 100 Eltern müssen sich dafür aussprechen – allein denn ausreiche, dass die Gesamtschule eingerichtet werde, wollte Reuter von Thomas Dinkelmann wissen. „Erst einmal müssen wir uns dann auf den Weg machen“, antwortete der Amtsinhaber. Was die Bezirksregierung am Ende dazu sage, sei etwas anderes. Die Gesamtschule müsse ja auch finanziert werden, so Dinkelmann. Diese werde um die 35 Millionen Euro kosten, das belaste den Haushalt mit rund 1,7 bis 1,8 Millionen Euro im Jahr zusätzlich. Die Gesamtschule sei ein gutes Schulsystem, so Dinkelmann, aber es gebe in Mettmann ja bereits zwei gymnasiale Oberstufen und das Berufskolleg. Ob dann die beiden Gymnaien bestandskräftig sein würden, sei die Frage. „Gesamtschule ja – aber – es müssen die beiden Gymnasien Bestand haben“, so Dinkelmann. Das sei ihm noch wichtiger als die Finanzierung. Die beiden Gymnasien seien gut aufgestellt, machen gute Bildungsarbeit und hätten letztendlich gute Anmeldezahlen. Das mache es in der Schullandschaft in Mettmann so schwer.

 

Sie sei überzeugt davon, dass der Elternwille positiv ausfallen werde, so Sandra Pietschmann. Frauen, die versuchten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, wünschen sich eine Schule mit einem verlässlichen Ganztag hier in Mettmann, so die von CDU und SPD nominierte Kandidatin. Das sei ein großes Argument für eine Gesamtschule in Mettmann. Das liebe Geld spiele eine riesengroße Rolle – teurer als Bildung sei auf Dauer jedoch, zitierte Pietschmann John F. Kennedy, keine Bildung. Aber es gebe durchaus große Hürden. Insofern werde sie sich dafür einsetzen, das konstruktiv anzugehen, sie könne aber nicht dafür garantieren, dass eine Gesamtschule tatsächlich kommen werde. Auf die Gymnasien angesprochen, ist Pietschmann froh, dass es mittlerweile eine Sozialplanung in Mettmann gibt – und damit hoffentlich bald mehr Zahlenmaterial. Die von der Elternschaft erarbeiteten Zahlen würden zeigen, dass die Züge an den Schulen mehr werden müssen, da die Zahl der Kinder steige – von einer Elfzügigkeit im kommenden Schuljahr auf 15 Züge in 2026/27. Ihr wäre die Gesamtschule eine jährliche Zusatzbelastung von 2 Millionen Euro wert, so Pietschmann. Allerdings gibt es aus ihrer Sicht bislang zu wenig gesicherte Zahlen und zu viel Bauchgefühl.

 

Die FDP lehne die Gesamtschule nicht ab – man wolle die Realschule erhalten –  das sei etwas ganz anderes, so Andrea Metz. Die Realschule mache eine Super-Arbeit – sie sei absolut überzeugt von dem Konzept. Auch die Gymnasien würden eine hervorragende Arbeit machen. Ein weiterer Aspekt sei, dass eine Gesamtschule in der Planung 35 Millionen Euro kosten werde. Wenn man sich mit Planungsexperten unterhalte, könnten daraus auch 50 oder 60 Millionen werden. „Das Geld haben wir definitiv nicht“, so Metz. Auch die Kämmerin habe gesagt, dass es eine Gesamtschule nur mit Steuerehöhungen geben werde.

 

„Die Gefahr ist groß, dass wir das über Steuererhöhungen finanzieren müssen“, stimmte Dinkelmann zu. Die Bezirksregierung verlange den Beleg einer Finanzierung. Darüber müsse man sich im Klaren sein – zumal eine Gesamtschule nicht die einzige Investition in den kommenden Jahren sei. Insofern habe er Bauchschmerzen bei der Gegenfinanzierung.

 

Steuererhöhungen seien das letzte Mittel, so Lessing. Darüber müsse der Rat dann entscheiden. Er selbst würde für eine Gesamtschule dafür stimmen und würde auch eine höhere Verschuldung in Kauf nehmen.

 

Hier geht es zur Aufzeichnung der Podiumsdiskkussion: https://youtu.be/MHFNTQzpkXE